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Pflege ist noch lange nicht gut

  • von Martina Rosenberg
  • 03 Juli, 2018


 Mit Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995, hat sich zweifelsfrei für die pflegebedürftigen Menschen und deren Angehörige die finanzielle Situation verbessert. Nachdem nun 20 Jahre vergangen sind, ist es allerdings enttäuschend festzustellen, dass vieler Orts immer noch an einem veralteten Pflegemodell aus einer längst vergangenen Zeit festgehalten wird. Denn wer heute pflegt, läuft immer noch Gefahr, dass er große finanzielle Einbußen hat, dass die Arbeitsstelle wegbricht und er selbst letztendlich krank und ohne Perspektive zurückbleibt. Immer noch baut die Politik und Gesellschaft auf ein System, das mit den momentan geltenden Rahmenbedingungen nicht funktionieren kann. Solange die Pflege der Angehörigen weniger honoriert wird, als die Pflege durch den Pflegedienst und gleichzeitig die Pflegefachkräfte immer rarer werden, haben wir ein Problem.

Meine eigene Geschichte beginnt mit der Idee eines Mehrgenerationenhauses, das in den ersten vier Jahren auch gut funktionierte. Für alle Beteiligten war völlig klar, dass wir einander helfen, wann immer es nötig wird. Einkaufsfahrten, Hilfe im Haushalt sowie im Garten waren selbstverständlich. Ebenso selbstverständlich war es auch für meine Eltern, gelegentlich auf ihr Enkelkind aufzupassen oder den Hund zu versorgen. Das Zusammenleben funktionierte prima bis meine Mutter dement wurde und mein Vater einen Schlaganfall bekam. Mit diesen Ereignissen änderte sich plötzlich die gesamte Situation im Haus. Mutter wurde stur und uneinsichtig bis hin zur totalen Verzweiflung. Vater hingegen immer bissiger und depressiv. Die einst nette Atmosphäre im Haus der Großeltern verwandelte sich Schritt für Schritt in ein emotionales Pulverfass. Und meine Familie und ich saßen wie in einem Sandwich mitten drin. Frühzeitig versuchte ich, Unterstützung zu organisieren. Zunächst in Form von Haushaltshilfen, dann ambulanten Pflegedienst und Tagesbetreuungsstätte, bis schließlich eine Pflegerin im Haus wohnte. Ein gemütliches Zuhause war es dann allerdings nicht mehr. Ziemlich lange habe ich mir vorgemacht, dass ich das schaffen kann. Mein Herzrasen, meine Schlaflosigkeit und meine immer wiederkehrenden Infekte ließen mich irgendwann doch erkennen, dass ich mir zu viel zugemutet hatte. Mein gesundheitlicher Zustand und die täglich wachsende Frustration meiner Eltern, haben letztendlich zu meiner Flucht aus dem einst geliebten Haus geführt. 

Das Inkrafttreten des neuen Pflegestärkungsgesetzes hätte an meiner damaligen Situation nicht viel geändert. Der emotionale Druck und die hohe Erwartungshaltung meiner Eltern, wären unverändert gewesen. Solange der Umzug in ein Heim oder die Nutzung einer Tagespflege einer Kapitulation gleichkommt, solange werden die Angehörigen bis zur Selbstaufgabe pflegen. Viele bis zur totalen Erschöpfung, weil sie es für ihre Pflicht halten und sich dem moralischen Druck beugen. Da nützt es wenig, wenn es mehr Geld für behindertengerechte Umbauten für zuhause gibt bzw. insgesamt fünf Milliarden mehr in die Pflege fließen.

Dennoch halte ich es für einen wichtigen Schritt, dass Menschen mit Demenz in Zukunft durch die neue Begutachtung finanziell besser gestellt werden. Denn Geld kann Entlastungsmöglichkeiten für die Angehörigen schaffen und Freiräume geben.

Doch was wir wirklich brauchen, ist eine Welt, in der wir wieder mehr Zeit für einander haben und uns gegenseitig unterstützen. 

In der pflegenden Angehörige mit werdenden Eltern gleichgestellt sind und während der gesamten Pflegezeit den Anspruch auf ihren Arbeitsplatz nicht verlieren. Vor allem wünsche ich mir, dass sie und das gesamte Pflegepersonal mehr Wertschätzung durch die Politik und der Gesellschaft erfahren und für ihr Engagement statt Nachteile, Vorteile erfahren. Denn wir alle müssen darüber nachdenken, wer sich in Zukunft um die enorm steigende Anzahl der alten Menschen kümmern soll!

Dies gilt im übrigen auch für die alternde Generation, die ihre Wertschätzung dadurch zum Ausdruck bringen kann, in dem sie sich offensiv mit ihrem eigenen Altwerden auseinandersetzen und mit ihren Angehörigen in den Dialog tritt.

 

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von Martina Rosenberg 27. Dezember 2023

Trotz bescheidener Veränderungen bei den Pflegeleistungen im Jahr 2024 wird die Pflegelandschaft in Deutschland leicht angepasst. Eine Erhöhung des Pflegegeldes, flexiblere Unterstützung und weitere Neuerungen sind auf dem Weg. Hier ist ein kurzer Überblick über die bevorstehenden kleinen, aber bedeutsamen Änderungen.

  • Pflegegeld-Boost: Ab Januar 2024 gibt es eine 5%ige Erhöhung beim Pflegegeld, gefolgt von weiteren 4,5% im Jahr 2025.

  • Pflegesachleistungen: Parallel zum Pflegegeld steigen auch die Pflegesachleistungen um 5% zum Jahresbeginn 2024, mit einer weiteren Erhöhung von 4,5% im Jahr 2025.

  • Entlastungsbudget:  Änderung zunächst nur für junge Pflegebedürftige bis 25 Jahren mit PG 4 und 5: Ab 2024 erhalten sie ein Entlastungsbudget von 3.386 Euro. Ab 2025 gilt dies für alle Pflegebedürftigen mit einem Pflegegrad und einem Budget von 3.539 Euro.

  • Pflegeunterstützungsgeld: Neu ab 2024: Das Pflegeunterstützungsgeld kann jetzt jedes Jahr neu beantragt werden, was berufstätigen Pflegenden mehr Flexibilität bietet.

  • Auskunft über Pflegeleistungen: Ab 2024 können Pflegebedürftige detaillierte Informationen über die letzten 18 Monate bezüglich Leistungen und Kosten bei der Pflegekasse anfordern.

  • Zuschlag zu Pflegekosten im Heim: Ab 2024 steigen die Zuschüsse zum Eigenanteil an den Pflegekosten in Pflegeheimen, beginnend mit 15% im ersten Jahr bis zu 75% ab dem vierten Jahr.

  • Mitaufnahme in stationäre Einrichtungen: Ab Juli 2024 können Pflegebedürftige während der Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme ihrer Pflegeperson beitreten, mit umfassender Kostenübernahme durch die Pflegeversicherung."

von Martina Rosenberg 27. Dezember 2023

In Deutschland wurde im Jahr 2017 mit großem Tarar und besten Absichten der sogenannte Entlastungsbetrag für Pflegebedürftige eingeführt, der auf den ersten Blick sogar sinnvoll erscheint. Jeder Versicherte ab Pflegegrad 1 erhält monatlich 125 Euro. Klingt großzügig, aber wie so oft versteckt sich der Teufel im Detail – oder besser gesagt, in der Bürokratie.

Zuerst muss eines klar sein: Dieser Betrag ist kein Bargeldgeschenk. Es handelt sich um eine Sachleistung, die nur von Dienstleistern mit einer speziellen Zulassung nach Landesrecht erbracht werden kann. Hier beginnt bereits das Durcheinander. Denn in unserem föderalen System hat jedes Bundesland eigene Vorstellungen davon, wer diese Zulassung erhalten soll und wer nicht. Im Klartext hießt das: Jedes Bundesland kocht sein eigenes Süppchen. 

Beispiel Schleswig-Holstein und Hamburg: In Schleswig-Holstein kann eine Seniorenassistenz über den Entlastungsbetrag abgerechnet werden, in Hamburg nicht. Warum? Wo liegt der Unterschied? Die Antwort ist, weil sie eine Einzelperson ist. Und die kann in Hamburg leider nicht zugelassen werden. Versteht das jemand? Ich auch nicht.

Dann das Problem der Verfügbarkeit : Geeignete Dienstleister sind Mangelware. Wer Unterstützung im Haushalt sucht, sieht sich oft mit einer endlosen Serie von Anrufen und Enttäuschungen konfrontiert. Und wenn man endlich jemanden findet, stoßen wir auf das nächste Hindernis: die Kosten. Viele zugelassene Anbieter sind Unternehmen wie beispielsweise der ambulante Pflegedienst, die Preise ab 55 Euro pro Stunde verlangen müssen. Wer ein bisschen Mathematik beherrscht, kann schnell ausrechnen, wie weit man damit kommt. Spoiler: Nicht sehr weit.

Hinzu kommt eine erschreckende Unwissenheit: Rund 40 % der Anspruchsberechtigten wissen nichts von dieser Leistung . Ein Versäumnis, das dringend korrigiert werden muss.

Was also sollte geschehen? Der wichtigste Schritt wäre, eine Vereinheitlichung und Vereinfachung der Zulassungsbedingungen über alle Bundesländer hinweg. Das ist unerlässlich. Damit die Versicherten die Leistung auch verstehen und nutzen, müssen die Pflegekassen in ihrer Kommunikation wesentlich aktiver werden. Denn was nützt der beste Entlastungsbetrag, wenn er in der Praxis kaum Anwendung findet?

Hier stehen wir also mit unserer Pflegepolitik: Vor einem System, das zwar gut gemeint ist, aber in der Ausführung an seiner eigenen Komplexität und föderalen Zersplitterung scheitert. 

Dabei haben wir doch alle das gleiche Ziel: Den Menschen die Pflege brauchen und denen die bereit sind zu pflegen
von Martina Rosenberg 28. August 2023

Eigener Wert in der Pflege – Ein Weg zu Selbstachtung und Ausgeglichenheit

Die Frage nach unserem eigenen Wert mag anfangs trivial erscheinen, doch ihre Bedeutung im Zusammenhang der Pflege darf keineswegs unterschätzt werden. Vielleicht denken wir an den Wert von Häusern und Autos, aber wie steht es um den Wert eines Menschen? 

Wie bestimmen wir ihn, und lässt er sich überhaupt in monetären oder materiellen Maßstäben ausdrücken? Gewiss nicht. Der individuelle Wert eines Menschen ist vielmehr eng mit seinem Selbstwertgefühl verknüpft. 

Daher ist es nun an der Zeit, Ihren persönlichen Wert für sich selbst zu erkennen. Vermeiden Sie den Vergleich mit anderen – Freunden, Familienmitgliedern oder sonstigen Personen. Richten Sie Ihr Augenmerk auf sich selbst und definieren Sie, was im Leben wirklich zählt und niemals vernachlässigt werden darf. Nur so können Sie Verantwortung für Ihr eigenes Leben und das anderer übernehmen.

Die Bedeutung des Selbstwertgefühls in der Pflege

Selbstwert in der Pflege umfasst das individuelle Empfinden einer Person über ihren eigenen Wert und wie viel Bedeutung sie als Mensch hat. Für Pflegebeziehungen ist ein positives Selbstwertgefühl sowohl bei der pflegebedürftigen Person als auch bei den Pflegenden besonders wichtig, da es ihre Interaktion und Beziehung maßgeblich beeinflussen kann. Eine positive Selbstwahrnehmung kann zu mehr Selbstvertrauen, Motivation und einem besseren Umgang mit herausfordernden Situationen führen. Umgekehrt kann ein niedriges Selbstwertgefühl das Gegenteil bewirken. Daher ist es für Pflegende essentiell, die Bedeutung des eigenen Selbstwertgefühls zu verstehen und sich selbst bewusst in den Fokus zu nehmen.

Die Geschichte von Anna K. - ein Erfahrungsbericht

Anna K. wuchs in einem kleinen Dorf auf. Als Älteste von drei Geschwistern und einzige Tochter fühlte sie sich schon früh verantwortlich für ihre Familie. Trotz eigener Familie und Vollzeitjob nahm sie die Pflege ihrer Mutter und ihres Bruders auf sich. Das Streben nach Anerkennung und Selbstwert führte sie jedoch dazu, ihre eigenen Bedürfnisse zu vernachlässigen. Als ihr Vater starb, überschattete ihre Hingabe den Rest ihres Lebens. Der Stress und das Fehlen der Selbstliebe führten zu einem Bruch in ihrer Ehe und schließlich zu einem Zusammenbruch ihrer eigenen Gesundheit.

Das eigene Leben in den Mittelpunkt stellen

Anna hätte früher in Betracht ziehen müssen, ob sie wirklich das Leben führte, das sie sich wünschte. Die Antwort lag auf der Hand – sie ließ sich in ein Leben ziehen, das nicht mehr ihres war. Um der Falle der Selbstaufopferung zu entkommen, ist es wichtig, sich zu fragen:

  • Kann ich so noch lange leben?
  • Was sind meine Prioritäten?
  • Habe ich Zeit für mich selbst?
  • Wen kann ich um Hilfe bitten?

Die Beantwortung dieser Fragen gibt Aufschluss über die eigene Situation.

Pflege ohne sich selbst zu verlieren

Die Balance zwischen Fürsorge für andere und dem eigenen Leben zu finden, ist eine Herausforderung. Verantwortung gegenüber der Familie und Freunden ist wichtig, doch auch die Verantwortung sich selbst gegenüber spielt eine maßgebliche Rolle. Helfen Sie, ohne dabei Ihre eigene Existenz zu vergessen. 

Der Fall von Anna zeigt, dass ein Mangel an Selbstliebe uns dazu bringt, stets für andere da zu sein, ohne auf uns selbst zu achten. Selbstwertgefühl ist der Schlüssel zu einem erfüllten und glücklichen Leben. Wer auf sich selbst achtet, kann auch anderen wirkungsvoll beistehen. 

Denken Sie daran: Nur wer sich selbst schätzt, kann wirkliche Unterstützung geben, ohne sich dabei selbst zu verlieren.

von Martina Rosenberg 28. August 2023

Nicht immer steht die edle Absicht zu helfen im alleinigen Fokus. Denn nicht selten finden sich Söhne und Töchter in der Pflege wieder, nicht nur aus reiner Hilfsbereitschaft, sondern auch in der Sehnsucht nach lang erwarteter Anerkennung von ihren Eltern. Bis zur völligen Selbstaufgabe pflegen sie, um endlich das Gefühl zu haben, unverzichtbar zu sein – möglicherweise sogar angetrieben von einem Helfersyndrom.

Der Begriff des Helfersyndroms wurde ursprünglich im Jahr 1977 von dem Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer in seinem Buch "Die hilflosen Helfer" geprägt und ist insbesondere im Pflegekontext oft präsent. Es beschreibt eine Dynamik, bei der Individuen ihren Selbstwert aus dem Helfen anderer beziehen, dabei aber ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche vernachlässigen und selbst Hilfe ablehnen.

Wie erkennt man ein Helfersyndrom? Stellen Sie sich folgende Fragen:

  • Wird jegliche Form von Unterstützung abgelehnt?
  • Gibt es keine eigenen Wünsche oder Ziele mehr?
  • Wird Hilfe ungefragt angeboten, ohne auf die Bedürfnisse des Hilfsbedürftigen einzugehen?
  • Gibt es Anzeichen von Medikamentenmissbrauch oder anderen Suchtmitteln? Ist der Pflegende depressiv?

Die Konsequenzen eines Helfersyndroms sind oft psychische Leiden wie etwa Depressionen. Ein typisches Verhalten von Personen, die vom Helfersyndrom betroffen sind, ist die Vermeidung von Beziehungen zu Nicht-Hilfsbedürftigen.

Dem Helfersyndrom entkommen erfordert meist eine Stärkung des Selbstwertgefühls. Dies ist jedoch keine leichte Aufgabe. Dazu ist die Erkenntnis notwendig, dass das Helfen oft als Mittel dient, um das eigene Selbstwertgefühl zu stärken. Die Einsicht, dass hinter der aufopfernden Pflege eigene Bedürfnisse und Interessen stehen könnten, ist ein wichtiger Schritt.

Es gilt, alternative Wege zur Stärkung des Selbstwertgefühls zu finden:

  • In manchen Fällen empfiehlt sich eine begleitende psychotherapeutische Behandlung, um eigene Wünsche und Ziele zu erkunden.
  • Das Ziel ist, dass sich der Mensch wertvoll fühlt, ohne unbedingt anderen helfen zu müssen.

Für Geschwister ist dieses Dilemma oft schwer zu bewältigen. Sie schätzen die liebevolle Versorgung der Eltern, während sie sich jedoch selbst nicht vorstellen können, ihr eigenes Leben für die Pflege aufzugeben. Kritik anzubringen gestaltet sich schwierig, da Menschen mit starkem Helfersyndrom oft wenig kritikfähig sind.

Die Ursprünge des Helfersyndroms liegen oft in der Kindheit und sind von außen schwer nachvollziehbar. Fehlende Anerkennung oder Bestätigung in der Jugendzeit können dazu führen, dass der Drang nach Zuneigung, Liebe und Anerkennung bis ins Erwachsenenalter anhält, doch oft oberflächlich bleibt.

Mögliche Lösungsansätze beinhalten das offene Gespräch mit der pflegenden Person oder dem Pflegebedürftigen. Falls das nicht möglich ist, kann auch der Hausarzt hinzugezogen werden, um gemeinsam eine Lösung zu finden. Ansonsten bleibt den Geschwistern oft nur die Möglichkeit der Unterstützung innerhalb ihrer eigenen Möglichkeiten.

von Martina Rosenberg 28. August 2023
Wie kann eine 24-h-Pflegehilfskraft beschäftigt werden. Auf was muss man achten? Kosten, Infos & Tipps.
von Martina Rosenberg 27. August 2023
Die Pflege eines nahestehenden Menschen ist eine emotionale und intime Aufgabe. Wenn ein geliebter Mensch unsere Unterstützung braucht, neigen wir dazu, unsere eigenen Bedürfnisse hintanzustellen. Es scheint selbstverständlich zu sein, in dieser Situation zu helfen und sich zurückzunehmen. Doch bei länger andauernder Pflege wird es entscheidend, nicht nur emotional, sondern auch planvoll zu handeln.
von Martina Rosenberg 18. April 2023
Der Artikel beschreibt, wie die Pflege von betagten Eltern oft zu Familienkonflikten führen kann, wenn ein Geschwisterkind die Hauptlast der Pflege trägt und die anderen Geschwister nur gelegentlich zu Besuch kommen. Insbesondere die Pflegetochter in der Geschichte fühlt sich von ihrem Bruder, der bei seinen Besuchen nur die schönen Momente genießt, benachteiligt und nicht wertgeschätzt.
von Martina Rosenberg 2. August 2018

Ein Unfall oder eine Krankheit kann das Leben der Angehörigen von einem auf den anderen Tag auf den Kopf stellen: Ein Pflegedienst oder -heim muss gefunden oder die Pflege zu Hause organisiert und durchgeführt werden. Für Berufstätige bedeutet dies meist eine große Herausforderung. Um Familie, Pflege und Job besser vereinbaren können, gelten im Bereich des Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetzes seit Januar 2015 neue gesetzliche Regelungen. Danach haben Beschäftigte verschiedene Möglichkeiten der Freistellung von der Arbeit. 

Während der Freistellung besteht Kündigungsschutz. Das heißt: Sie müssen nicht befürchten, aufgrund der Pflege eines nahen Angehörigen Ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Der besondere Kündigungsschutz beginnt mit der schriftlichen Anmeldung der Pflegezeit und endet mit deren Ablauf.

Welche Möglichkeiten der Freistellung haben Sie als Arbeitnehmer, wenn sie nahe Angehörige pflegen?  

Pflegeunterstützungsgeld:

Bei einem akut auftretenden Pflegefall können Sie eine Auszeit von  bis zu zehn Tagen von der Arbeit nehmen. In dieser Zeit erhalten dafür eine Lohnersatzleistung (Pflegeunterstützungsgeld) in Höhe von 90 Prozent Ihres Nettogehalts. (Link auf Artikel Zusätzlicher Urlaubsanspruch  http://www.martina-rosenberg.de/zus%C3%A4tzlicher-urlaubsanspruch )

Den Antrag auf Pflegeunterstützungsgeld müssen Sie wird unverzüglich bei der Pflegekasse oder dem privaten Pflegeversicherungsunternehmen Ihres pflegebedürftigen nahen Angehörigen stellen.

Pflegezeit:

Dauert die häusliche Pflege Ihres Angehörigen (mindestens Pflegegrad 1) länger, können Sie  bis zu sechs Monate ganz oder teilweise aus dem Job aussteigen. 

Dies gilt auch für die außerhäusliche Pflege eines minderjährigen nahen Angehörigen (mindestens Pflegegrad 1).

In der letzten Lebensphase Ihres Angehörigen können Sie  bis zu drei Monate  ihre Arbeitszeit reduzieren oder sich eine Auszeit nehmen. 

In beiden Fällen besteht Anspruch auf ein zinsloses Darlehen, um den Verdienstausfall in dieser Zeit abzufedern. Das Darlehen können Sie direkt beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Angelegenheiten (BAFzA) beantragen.

Auf der Internetseite  www.bafza.de gibt es einen Familienpflegezeitrechner zur Ermittlung des maximalen Darlehensbetrages.  

Familienpflegezeit:

Wenn Sie sich über einen längeren Zeitraum um einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen (mindestens Pflegegrad 1) in häuslicher Umgebung kümmern müssen, können Sie Ihre Arbeitszeit auf  bis zu 15 Stunden pro Woche  für die Dauer von  bis zu 24 Monaten  reduzieren.

Dies gilt gleichermaßen für die außerhäusliche Betreuung eines minderjährigen pflegebedürftigen nahen Angehörigen.

Auch in dieser Zeit können Sie ein zinsloses Darlehen in Anspruch nehmen. 

Für welche Beschäftigten gelten die gesetzlichen Regelungen?

•    Arbeitnehmer

•    geringfügig Beschäftigte (Minijobber) mit einem Entgelt bis zu 450,00 Euro monatlich

•    die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten (Auszubildende) 

•    Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen gelten 

 

Achtung: Selbstständige sind von allen Regelungen ausgenommen.

Was sind nahe Angehörige?

·      Großeltern, Eltern, Schwiegereltern, Stiefeltern

·      Ehegatten, Lebenspartner und Partner einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, Geschwister

·      Schwägerinnen und Schwäger

·      Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder sowie die Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners, Schwiegerkinder und Enkelkinder

Betriebliche Voraussetzungen

Das Recht auf Pflegeunterstützungsgeld  haben Sie gegenüber allen Arbeitgebern unabhängig von der Größe des Unternehmens.

Ein Rechtsanspruch auf Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz gegenüber Arbeitgebern besteht nur in Betrieben mit  mehr als 15 Beschäftigten , bei Freistellungen nach dem Familienpflegezeitgesetz in Unternehmen mit  mehr als 25 Beschäftigten

Sonderregelung für Kleinbetriebe

Wenn Sie in einem kleineren Betrieb arbeiten, können Sie mit Ihrem Arbeitgeber einvernehmlich eine Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz oder Familienpflegezeitgesetz vereinbaren. Im Falle einer solchen freiwilligen Vereinbarung haben Sie ebenfalls Anspruch auf Förderung durch ein zinsloses Darlehen.

von Martina Rosenberg 23. Juli 2018

Matthias Thöns hat ein Buch geschrieben, dass die Ärzteschaft aus dem Stuhl reißt. Er klagt darin die Geldgier und die Skrupellosigkeit mancher Kollegen an. „Patient ohne Verfügung“ ist der Titel und trifft den Nerv der Menschen.

Thöns, der  seit 1998 als Palliativmediziner tätig ist und täglich mit dem Sterben konfrontiert wird, hat einen völlig anderen Blick auf das Thema „Sterben“, wie so manch seiner Kollegen. Sein Buch ist voll mit erschütternden Beispielen, mit denen er belegt, dass es nicht nur um die Lebensverlängerung eines Menschen geht, sondern oftmals auch um den Profit der Gesundheitsindustrie.

Sinnlose Chemotherapien

Besonders erschütternd ist die Erkenntnis, dass jede zweite Chemotherapie, die ein krebskranker Mensch über sich ergehen läßt, weniger dem Patienten dient, als viel mehr dem Arzt. Laut Thöns werden 60 Prozent der Krebskranken noch in den letzten zwei Monaten  ihres Lebens chemotherapiert. Dabei sind Forscher aus NewYork, die die Krankenblätter von der Zielgruppe genau analysiert haben zu dem Ergebnis gekommen, dass nicht das Leben verlängert wird, sondern das Leiden! »Chemotherapie nutzte den Patienten nichts, egal wie sehr sie ihre Krebserkrankung schon beeinträch­tigt hatte«, sagt Holly Prigerson,5 die Leiterin des Studienprojekts. Ein erschütterndes Ergebnis!

Wachkomapatienten – Starke Einnahmequelle?

Sein Kapitel „Wehrlos im Wachkoma“ schreibt über die Aussichtslosigkeit der Heilung und die Verzweiflung der Angehörigen von Menschen, die im Wachkoma liegen. Ein Patient im Wachkoma bringt viel Geld ein und ist einfach zu pflegen. Bei meiner intensiven Recherche zu meinem zweiten Buch „Anklage Sterbehilfe“, bin ich genau zu dem gleichen Ergebnis gekommen. Katharina, die sieben Jahr im Wachkoma lag, wurde das Sterben verweigert. Obwohl ziemlich klar war, dass es keine Aussicht auf Besserung gab und sie keinerlei Reaktionen mehr zeigte. Sie musste unendlich viele Operationen über sich ergehen lassen, deren Sinnhaftigkeit der Ehemann stark anzweifelte, und war dem Ärzteteam und Pflegeteam völlig ausgeliefert.

Interessant ist auch ein Brief, den Matthias Thöns an rund 250 Pflegedienste verschickt. Darin bittet er um die Übernahme der Pflege für einen Onkel, der einen schweren Hirnschaden hat und im Koma liegt. Weiter schreibt er, dass er gegen den Willen der restlichen Familie, den Onkel weiter am Leben erhalten wird. Wortwörtlich:
„Das Ganze eilt sehr, da mir meine Tante droht, dass sie und nicht mehr ich die Betreuung macht. Sie behauptet mit dem Rest der Familie, er hätte so nie leben wollen. Ehrlicherweise ist so auch seine Patientenverfügung zu verstehen. Nun macht mir das Betreuungsgericht hier Schwierigkeiten. Mit einem neuen Betreuungsgericht wird es keinen Ärger geben, wenn das Original nicht vorgelegt wird (und das liegt bei mir).“

Danach erhält er Antwort von 90 Prozent der angeschriebenen Dienste, die diese Aufgabe gerne übernehmen, sobald die Zusage der Krankenkasse vorliegt. Die Kosten hierfür liegen bei rund 22.000 Euro! Kein Wunder also, dass hier alle gerne mitmachen.

Die Gesellschaft trägt auch Verantwortung

Das Buch und die darin zu findenden Geschichten von Matthias Thöns, zeigen auf, wie sehr wir als Gesellschaft den Boden unter den Füßen verloren haben. Der Tod ist nun mal ein Teil des Lebens und in manchen Fällen ist er die bessere Alternative. Michael De Ridder, Bestsellerautor und Mediziner, zitiert in einem seiner Bücher einen unbekannten Tragödiendichter, der nachdenklich stimmt: „ Wer weiß schon, ob das Sterben nicht eigentlich das Leben und das Leben nicht eigentlich das Sterben ist.“

Deswegen müssen nicht nur die Ärzte akzeptieren, dass der Tod zum Leben gehört, sondern vor allem auch die Gesellschaft. Denn auch sie sind dafür verantwortlich, wenn sterbenskranke und dem Tod geweihte Menschen nicht sterben können. Oft wird aus egoistischen Gründen dem Menschen das Sterben versagt, weil wir ihn nicht loslassen wollen. Die Ärzte, die in diesem Buch „Patient ohne Verfügung“ angeklagt werden, sind nur ein Spiegel unserer Gesellschaft.

 

von Martina Rosenberg 23. Juli 2018

Heute scheint die kleine Welt, in der man lebt, noch in Ordnung zu sein, doch mit einem Schlag kann morgen alles anders sein. Ein Unfall, ein Schlaganfall oder eine heimtückische Krankheit verändern unser Leben von Grund auf. Bisher dachten wir, es träfe meist die anderen, nie aber einen selbst. Mit Distanz sah man bisher  betroffen aus der Ferne zu und hoffte, selbst erwische es einen nicht . Doch dann ist es da. Unaufhaltsam –  unwiderruflich und erbarmungslos.

Egal, ob es die Eltern sind, der Ehepartner oder gar das eigene Kind, die zum Pflegefall werden. Für die Angehörigen steht die Welt auf dem Kopf und für diejenigen, die das erleben müssen, ist es eine persönliche Katastrophe. Es folgt die Erkenntnis, wie verletzlich wir alle doch sind und wie schnell alles was heute noch als normal erscheint, morgen vorbei sein kann.

Doch unsere Liebe und Zuneigung füreinander sorgen dafür, dass wir helfen und den betroffenen Menschen umsorgen. Doch was passiert mit uns, wenn der Mensch sich verändert und kaum noch an denjenigen erinnert, der er einst war? Was geht in einem Helfenden vor, wenn er keine Wertschätzung mehr für seine Hilfeleistung erfährt? Wenn nur noch gemeckert wird und die schönen Momente eines Miteinanders immer weniger werden, bis sie dann völlig erlöschen?

Schon in den DEGAM-Leitlinien (Handlungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin für Ärzte und deren Praxisteams sowie für Patienten) aus dem Jahre 2005 wurde das Burn-out-Syndrom in verschiedenen Ausprägungen beschrieben. Sieben Prozent der pflegenden Angehörigen beschreiben es als sehr hoch, 24 Prozent als hoch, 39 Prozent als mittel und 30 Prozent empfinden gar keine Erschöpfung. Hier bestätigt sich bereits, was ich selbst erfahren habe. Nur wer für sich auch einen emotionalen Gewinn in der Pflege sieht, betrachtet die Aufgabe weniger belastend, sondern vielmehr als sinnvoll. Es ist die tiefe Befriedigung, einem geliebten Menschen auch in schwieriger Zeit beizustehen. Doch was passiert, wenn alle Bemühungen des Helfers verpuffen? Wenn es keine Belohnung in Form von netten Worten, Dankbarkeit oder Wertschätzung gibt? Wer das täglich erlebt, weiß, wie schwer es ist, sich weiter zu motivieren.

Die Hilfsbereitschaft, einst aus einem tiefen Gefühl der Verbundenheit entstanden, muss wie eine Pflanze gepflegt werden. Ohne Zuwendung wird sie verwelken und vergehen. In unterschiedlichen Untersuchungen aus den letzten Jahren, wurde immer wieder festgestellt, dass über die Hälfte der pflegenden Angehörigen die mangelnde Wertschätzung beklagen.

Am Ende steht vielleicht der Frust, schlimmstenfalls die Depression und wenn alles schief läuft, auch der Verlust eines Gefühls, das man glaubte nie zu verlieren: Die Liebe .

In meinem Fall war völlig klar, dass ich meinen Eltern in ihrer schwierigen Situation helfen werde. Meine Mutter erkrankte mit ca. 75 Jahre an vaskulärer Demenz. Mein Vater erlitt in der gleichen Zeit einen Schlaganfall, der ihm das Sprechen schwer machte. Die Beiden befanden sich unwiderruflich auf einer Abwärtsspirale und für mich entstand ein Wettlauf mit der Zeit. Jeden Tag bemühte ich mich erneut, meinen Eltern das Leben zu erleichtern. Zuerst durch allabendliche Gespräche und dann Schritt für Schritt mit anderen Hilfen wie Einkaufsfahrten, gemeinsame Spaziergänge, Hilfe im Haushalt usw. Am Ende wurde ein 24-h-Job daraus. Meine Mutter war stark dement, mein Vater wütend auf das Schicksal und depressiv.

Alles was uns einst ausgemacht hat, war vergangen. Vergangen war auch meine Kraft und meine Lebensfreude. Jeder Tag mit meinen Eltern wurde zur Qual, weil ihnen und irgendwann auch mir, die Lebensfreude abhanden gekommen war. Meine Mutter, die längst nicht mehr redete und auch nicht mehr an die Frau erinnerte, die sie mal war, ist mir verloren gegangenen. Mit ihr ist auch die Liebe Stück für Stück verschwunden.

 

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